Basiswissen für Rennfahrer
Der Allgemeine Deutsche Motorsport Verband in der DDR (kurz ADMV) führte Jedes Jahr im Frühjahr eine Fahrerbesprechung durch. Diese diente dem Zweck, die Fahrer mit den neuen Regelungen der Saison vertraut zu machen, sie zu schulen und sie auf bestehende Pflichten hinzuweisen.
Innerhalb dieser Veranstaltungen wurden den Rennfahren eine Reihe von Dokumenten übergeben. Zwei eher unbekannte Themen befassten sich mit den Voraussetzungen für schnelles Autofahren und den Vorbereitungen auf die Rennsaison.
Gerade heute, wo man sich einfach einen Rennwagen kaufen kann und sofort mit dem Erwerb einer Lizenz und einem ärztlichen Attest auf die Rennstrecke darf, fehlen den Meisten die Grundlagen, was man braucht um „Rennfahrer“ zu sein. Rennfahrschulen bieten dieses Wissen an und die meisten glauben ohnehin, schnell fahren zu können. Dass das „Schnellfahren“ nicht allein den Sieg ausmacht, wird in diesen beiden unten aufgeführten Artikeln beschrieben. Die Rhetorik ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, der Inhalt jedoch wichtig und absolut aktuell.
Voraussetzungen für schnelles Autofahren
Ausgegeben vom ADVM der DDR - Arbeitsgruppe Automobile - Abschrift
- Eine überdurchschnittliche Reaktionsschnelligkeit
- Ein besonders gutes, räumliches Sehen und damit gekoppelt ein sehr exaktes Abschätzungs- vermögen, auch bei hohen Geschwindigkeiten
- Ein Gefühl für das Verhalten des Wagens, das sozusagen in den Rädern des Fahrzeugs sitzt, also eine lebende Verbindung mit der Straße darstellt
- Man darf nicht Ladegut sein, sondern muss ein Bauteil werden
- Physischen Mut
- Disziplin und Korrektheit sowohl gegenüber dem Veranstalter als auch gegenüber den anderen Fah-rern: Ein spontanes natürliches Gefühl für sportliche Fairness
- Eine körperliche Kondition, die sowohl zur Bewältigung des nötigen Kraftaufwandes ausreicht, als auch die physische und nervliche Voraussetzung für eine Ausdauer garantiert
- Ein Wissen um das, was man Fahren auf der Ideallinie nennt
- Eine Übersicht, die man im Kampf und am ermüdeten Ende eines Wettbewerbs behalten muss. Man nennt es „mit dem Kopf fahren“
- Ein technisches Feingefühl für Drehzahlen und Drehzahlgrenzen des Motors, für motorische Unregel-mäßigkeiten, für das Getriebe und für Details der Straßenlage
- Spezielle Erfahrungen wie Streckenkenntnisse
- Kenntnis von der Stärke und Schwäche der übrigen Konkurrenten
- Kenntnis kritischer Punkte
- Kenntnis eigener Ermüdungserscheinungen
- Das Reglement.
Ausgefertigt: Siegfried Seifert †
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Voraussetzungen für schnelles Autofahren_Abschrift.pdf (124,6 KiB)
Vorbereitung für die Saison für Training und Rennen
Ausgegeben vom ADVM der DDR Arbeitsgruppe Automobile - Abschrift
Mit den Vorbereitungen für die neue Saison ist unmittelbar nach dem Ende einer Saison zu beginnen. Man muss sich einen Plan erstellen, über alle erforderlichen, durchzuführenden Maßnahmen, um die Materialbeschaffung einzuleiten und Fertigungsmöglichkeiten zu erkunden. Bei der Vielschichtigkeit der Probleme ist eine kollektive Arbeit immer von Vorteil. Dabei sollte auf jeden Fall noch Zeit zu einer regelmäßigen, zielgerichteten sportlichen Betätigung eingeplant werden, die zu einer physischen und psychischen Leistungssteigerung führt. Wie wir später noch an einem Beispiel sehen werden, sind sie mit entscheidend für den Erfolg.
Vor allem sollte man die Zeit der Winterpause nutzen, mit einem gut vorbereiteten Wagen zur Abnahme und zum Training zu kommen. Die Zeit dort soll man nicht dafür nutzen, den Wagen fertig zu machen, sondern das Fertige zu erproben. Dazu gehört natürlich auch
- dass die Fahrerpapiere in Ordnung sind
- die Lizenz rechtzeitig beantragt wurde
- die Kontrolluntersuchung auf der Arztkarte mit Blutgruppe und Rhesusfaktor eingetragen ist
- die Tetanus-Impfung auf dem aktuellen Stand ist
- dass man mit der Motorsport-Ordnung und speziell mit dem Anhang für seine Disziplin vertraut ist
- dass man die Bedeutung der Flaggenzeichen genau kennt
- dass man aber auch bei seinem MC seinen Mitgliedsbeitrag bezahlt und nicht erst am Tage der Veran-staltung bei einem anderen MC. Da Beiträge beim Mitgliedsclub anteilig verbleiben sind dies auch dort einzuzahlen. → Anmerkung der Redaktion: aktuell nicht mehr zutreffend
Zum Training selbst ist die Möglichkeit zum Fahren so oft und so lange wie möglich zu nutzen. Dabei den Wa-gen aber nicht durch unvernünftiges Fahren vorzeitig zu demolieren, sondern sich nach der langen Winter-pause wieder an das Fahren mit einem Rennwagen zu gewöhnen. Der Rennwagen hat 5 - 7 kg/PS im Unter-schied zu einem PKW der 14 - 22 kg/PS hat.
Es ergeben sich im Rennwagen, wie auch im Tourenwagen ganz andere Sitzpositionen, ausgestreckte Arme, Sichtverhältnisse, Anbremspunkte usw. Des Weiteren ist beim Training der Zeitplan einzuhalten und es muss wenigstens immer einer, der Fahrer oder Helfer, über den Ablauf Bescheid wissen. Zur Vorbereitung des Wagens für das Training und Rennen ist es von Vorteil, wenn man sich eine Checkliste anfertigt, von all den Dingen, die man zu einem Rennen benötigt. Diese Checkliste ist wieder dann zu ergänzen, wenn man zusammen mit seinem Helfer die Ausfallursachen auswertet. Es empfiehlt sich die Anlegung eines Buches, wie es die meisten unserer erfolgreichen Fahrer führen. Man trägt z. B. für jedes Rennen ein:
- Trainingszeiten
- Vergasereinstellung
- Übersetzungen
- Mängel
- Ausfallgründe
- das Wetter
- Einstellung Spoiler-Winkel
- Einstellung Stabilisator
- Luftdruck der Reifen
- usw.
Nur über so eine exakte Zusammenstellung kann man eine richtige Grundlage schaffen, auf der man immer wieder aufbauen und weiterentwickeln kann. Es gehört natürlich dazu, dass, wenn schon nicht der Fahrer, dann zumindest der Helfer in der Lage ist, das genannte Buch anzulegen und auszuwerten. Nur durch intensives Befassen mit dieser Problemen kommt man weiter. Dabei ist ein ständiger, möglichst der gleiche Helfer von Vorteil. Es gehören natürlich viel Zeit, Lust und Liebe dazu. Aber wer dieses im Rennsport nicht aufbringt, der wird auch letzten Endes keinen Erfolg haben.
Des Weiteren ist das erforderlich, dass man sich die Ausschreibungs- oder Durchführungsbestimmungen für ein Rennen genau durchliest, damit man orientiert ist, wie alles abläuft und die nicht gerade umfangreichen Trainingsmöglichkeiten wenigstens voll ausnutzt und man vor allem die erforderlichen Pflichtrunden erreicht. Wir würden es für erforderlich halten, dass man mit seinem Helfer zu einer bestimmten Arbeitsteilung kommt. Nicht, wie es schon vorgekommen ist, dass der Fahrer eine halbe Stunde vor dem Rennen seinen Helfer suchen muss. Das löst natürlich Nervosität aus, die man vermeiden sollte. Schließlich fährt der Helfer, wie es das Wort schon ausdrückt, zum Helfen mit und nicht, um im Fahrerlager spazieren zu gehen. Das kann man nur tun, wenn man seine Aufgaben erfüllt hat. Es kann diesbezüglich nie schaden, mit offenen Augen durch Fahrerlager zu gehen um zu sehen, wie andere Fahrerteams arbeiten.
Nach Möglichkeit soll man seinen Wagen eine ½ Stunde vor dem Training vorbereitet dastehen haben. Es kann durchaus vorkommen, dass durch einen zügigen Trainingsablauf der Start für das eigene Training vorverlegt wird. Man muss also wissen, welche Klasse vor dem eigenen Training dran ist, um früh genug am Trainingseinlass (Vorstart) zu stehen. Immer wieder kann man beobachten, dass die erfahrenen Fahrer meistens die Ersten sind, obwohl sie durch ihr jahrelanges Fahren die Strecken viel besser kennen, als die jüngeren Fahrer, die also ein ausreichendes Training viel nötiger hätten.
Es muss am Fahrzeug alles in Ordnung sein
- Zündeinstellung
- Luftdruck
- richtige Kerzen - auch festgezogen
- alle Muttern und Schrauben, die dafür vorgesehen sind, gesichert oder versplintet
- genügend Wasser, Benzin, Öl aufgefüllt
- Batterie geladen
- Bremsflüssigkeit aufgefüllt
- Bremsprobe durchgeführt
- Vergasereinstellung richtig
- Warmlaufen auf Betriebstemperatur
Für den Helfer an der Box kommt es darauf an, das benötigte Werkzeug bei der Hand zu haben, dazu Kerzen, Düsen, eventuell Wasser. Zusätzlich ist eine oder mehrere Stoppuhren, eine Tafel und Kreide mitzuführen.
Zur Fahrerausrüstung gehören:
- Schuhe
- Brille oder Visier
- Handschuhe mit aufgeklebten Schwamm (bei Regen)
- Helm, auf richtigen Sitzachten, nicht zu klein
Für den Fahrer ist es von außerordentlicher Wichtigkeit, seiner Körpergröße entsprechend, eine gute und bequeme Sitzposition einzunehmen. Auf ausgestreckte Arme achten sowie auf die Rückspiegeleinstellung. Die Sitzposition hat maßgeblichen Anteil am Fahrstil und auf die Kondition.
Teile müssen fest im Wagen verbaut sein – insbesondere Batterie und Feuerlöscher. Zudem eine gute und leichtgängige Schaltung, anatomisch gute Lage der Kupplungs-, Gas- und Bremspedale. All dieses hat wesentlichen Anteil, um bei einem Training oder Rennen konzentriert fahren zu können.
Die Auswertung der Rundenzeitenliste eines Trainings oder Rennens zeigt eindeutig, dass man aus einem guten Motor von sich aus selbst durch gleichmäßiges Fahren viel tun kann. Bei vielen unserer Sportfreunde sind auf diesem Gebiet noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, da viele die vorhandene Leistung noch nicht verstehen 100%ig wirksam werden zu lassen. Grundlage dafür ist auch das sportliche Training im Winter zur physischen und psychischen Leistungssteigerung.
Bei den ersten Runden im Training muss man sich natürlich erst einmal die Strecke in Ruhe anschauen, auch wenn ich sie von den vorhergegangenen Rennen noch kenne. Denn es kann sich durchaus ergeben, dass durch Reparaturarbeiten an der Straßendecke, Absperrmaßnahmen usw. sich doch einiges verändert hat. Wenn die Möglichkeit besteht, sollte man versuchen, mit dem PKW vorher einmal herum zu fahren. Vor allem auf Strecken, die man noch nicht kennt, natürlich unter Beobachtung der Straßenverkehrsordnung und nicht zum Finden der Ideallinie. Es sollte also nicht vorkommen, dass im Training in der ersten Runde auf einer Strecke, die man noch nicht kennt, man rausfährt. Das zeugt nicht gerade von einem systematischen und verantwortungsbewussten Herangehen an seine Aufgabe. Es kann schon vorkommen, aber nicht gleich in der ersten Runde.
An der Box hat der Helfer die Aufgabe, die Rundenzeiten seines Fahrers zu stoppen und sie ihm mit der Tafel anzuzeigen, damit er kontrollieren kann, ob er sich verbessert hat, bzw. sich die fahrerischen oder technischen Maßnahmen auf die Rundenzeiten auswirken. Zumindest muss der Helfer sie registrieren, schon, um sie dann mit dem Fahrer auszuwerten - betreffs Übersetzungsfragen, Vergasereinstellung, Bremsabstimmung, Stabieinstellung, Luftdruckänderung, Änderung der Kinematik usw. Dafür ist das angelegte Buch eine gute Grundlage. Betreffs der Vergasereinstellung wäre noch zu sagen, dass es sich als vorteilhaft erwiesen hat, nach der ersten oder zweiten Runde anzuhalten, um die Vergasereinstellung und Gemischverteilung zu überprüfen.
Für den Fahrer kommt es jetzt darauf an, für die Strecke die Ideallinie zu finden, Anbrems- und Schaltpunkte festzulegen, anhand des Drehzahlmessers die optimale Übersetzung zu überprüfen bzw. festzulegen. Es kann sich durchaus ergeben, dass durch Einbau des Reserve-Motors, einem anderen Auspuff usw. sich eine andere Übersetzung nötig macht, als im Jahr zuvor. Auch ausgebaute Kurven haben dabei ihren Einfluss. Es hat sich immer wieder bewiesen, je wissenschaftlicher und systematischer an diese Aufgabe herangegangen wird, umso erfolgreicher wird man sein.
An einem Beispiel soll dargestellt werden, wie wichtig das Finden des richtigen Anbremspunktes ist und das über viele Runden an der gleichen richtigen Stelle - wenn man also versucht, in den Grenzbereich vorzustoßen. Viele glauben, dass die Geschwindigkeit allein das Kriterium für besonderes Fahrkönnen ist. Das trifft aber nur in einem ganz beschränkten Umfang zu, denn auf einer geraden Ebene und genügend breiter Straße, z. B. auf einer Autobahn, wird es einem guten, sportlichen eingestellten Fahrer möglich sein, Geschwindigkeiten im Bereich von über 200 km/h zu fahren. Wenn er sich dann daran durch mehrmaliges Üben gewöhnt hat, werden ihm solche Geschwindigkeiten kein besonderes Unbehagen mehr bereiten. Diese Fähigkeit hat ja doch noch nichts damit zu tun, dass der betreffende Fahrer einen so schnellen Wagen auch auf einer Rennstrecke in ei-nem Rennen gut beherrschen würde. Es ergibt sich bereits eine völlig andere Situation, wenn der mit ca. 200 km/h geradeaus fahrende Fahrer auf eine Kurve zuschießt, die maximal 130 km/h verträgt. Hierbei tritt nun außer der reinen Geschwindigkeit plötzlich ein neues Moment hinzu, das Abschätzen von Bremswegen.
Wenn wir uns mit 70 - 80 km/h auf der Landstraße einer Kurve nähern, haben wir sehr viel Zeit, um uns diese Kurve anzusehen und unsere Entschlüsse bezüglich eventuellen Bremsen und maximaler Kurvengeschwindigkeit zu fassen. Wir fahren mit etwa 20 m/s auf diese Kurve zu. Nehmen wir einmal an, wir hätten 60 m vor dieser Kurve einen klaren Einblick in ihrem Charakter - wir könnten sagen: Gas weg, sie verträgt nur 60 km/h.
Die Zeit für diesen Entschluss und von seiner Umsetzung in die Tat wird ausreichen. Denn ehe wir an den Kurveneingang gelangen, vergehen mehr als 3 s. Wenn wir dagegen in einem extremen Fall mit 200 km/h auf diese Kurve zuschießen, dann haben wir theoretisch nur noch reichlich 1 s Zeit, um uns zu entscheiden. In 1 s hätten wir aber den Kurveneingang schon erreicht und befinden uns in einem viel zu schnellen Tempo. Aus 60 m Entfernung ist kein Wagen mehr von 200 km/h auf 60 km/h herunter zu bremsen. Die Entschlüsse müssen also viel schneller gefasst werden. An diese Entschlussschnelligkeit angesichts der verschiedenen Stra-ßenkrümmungen und Oberflächen kann man sich schon viel schwieriger gewöhnen, als an die reine Geschwindigkeit. Auch sagt uns ein reines Rechenexempel, dass ein Verschätzen des Anbremspunktes vor einer Kurve eine Verschätzung um ½ s bei 72 km/h zu 10 m Wegdifferenz führt, ein gleiches Verschätzen bei 200 km/h be-reits zu rund 28 m Differenz. Eine ½ s ist nicht viel. Wenn man von 72 km/h runterbremst, so sind 10 m verschätzte Wegdifferenz immer noch korrigierbar, aber wenn sich bei 200 km/hm Anbremsen um 28 Meter verschätzt, bedeutet das unweigerlich ein Verlassen der Fahrbahn. ½ s zu früh, dann verschenkt man 30 m, ½ s zu spät, dann ist man am Eingang der Kurve noch um 50 - 60 km/h zu schnell.
Schon daraus sieht man, mit welchen Maß an Konzentration in einem Rennen gefahren werden muss. Die Bedeutung Konzentration und Ausdauer: Pro Runde gibt es viele Kurven anzubremsen und das über viele Runden. So summieren sich dann auch am Ende eines Rennens für manche unbegreiflich die Plus- und Minuszeiten zu seinem Konkurrenten.
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